Er sei ein Experimentator zwischen Malerei und Tüftelei, so der Fotograf Heinrich Heidersberger. Fortwährend dem Reiz des Neuen erlegen, ist das Experiment in seinem fotografischen Werk omnipräsent. Über seine Beweggründe befragt, sich immer wieder neu den Herausforderungen des technischen Experiments zu stellen, antwortete er schlicht, „das Physikalische, Wissenschaftliche, Mechanische“ habe stets „eine große Rolle“ in seinem Leben gespielt.
Dabei wurde seine unerschöpfliche Neugier und seine ebenso spielerische wie forschende Auseinandersetzung mit der Natur und naturwissenschaftlichen Phänomenen nicht selten zum Ausgangspunkt für seine Arbeiten. So auch, als Heinrich Heidersberger 1955 im Auftrag der Architekten Hugo Constantin Bartels und Jürgen Schweitzer ein Wandbild für das Foyer der Ingenieurschule - der heutigen Hochschule Ostfalia - in Wolfenbüttel erarbeitete. Es entstand ein mehrteiliges, zehn Meter breites und über zwei Meter hohes Wandbild, in dem die unterschiedlichen Fachrichtungen der Hochschule collageartig Niederschlag gefunden haben. Über die Verbindung von Technik und Ästhetik versuchte Heidersberger die Fantasie der Studierenden anzuregen....
...So erinnert beispielsweise ein Rohr in einem Strömungsexperiment an eine Pfauenfeder, breitet sich ein künstlicher Blitz sternförmig aus, visualisieren Zahnräder in polarisiertem Licht deren Kraftübertragung.
Diesen eher den Gesetzmäßigkeiten der Natur nachspürenden Arbeiten stehen Heidersbergers Rhythmogramme gegenüber: Algorithmische Schwingungsbilder mehrerer harmonischer Pendel, die heute der Generativen Fotografie zugeschrieben werden. Die Neuinterpretation des Wandbildes ist seit Sommer 2024 im phaeno in Wolfsburg zu sehen.
Die Einzelmotive von links nach rechts:
-Magnetismus / Eisenfeilspäne im Magnetfeld
-Mathematik und Geometrie: Hyperboloid
-Mechanik: Kraftverteilung zwischen zwei Kunststoffzahnrädern, sichtbar im polarisierten Licht.
-Strömungsmechanik: Strömungsdarstellung in einem Windrauchkanal; Zylinder in einer laminaren Strömung
-Chemie / chemisches Molekül von Vitamin A
-Telekommunikation: Telefonhörer und Drehwähler
-Metallographie: Eisenanschliff (Qualitäts-Prüfung bei Volkswagen)
-Technik: Kugellager und Kugel im Hintergrund
-Elektrizität: elektrische Entladung, Lichtenberg-Figur (die Filmplatte wurde direkt von dem Blitz belichtet)
In jeder Spalte des Bildes sind Rhythmogramme als verbindendes grafisches Element abgebildet.