Ab 1939 war Heinrich Heidersberger als Industriephotograph in den Stahlwerken Braunschweig angestellt. Für einen Kriegseinsatz als Soldat war er bei Kriegsbeginn mit seinen damals 33 Jahren bereits zu alt. Er selbst schreibt von sich, dass er das Dritte Reich nur im "inneren Widerstand" überlebte (Ein Telefongespräch vor 54 Jahren...). Ausdruck dieser Immigration nach Innen war sicherlich der Kontakt und die daraus resultierende Freundschaft zu den Zwangsarbeitern der Stahlwerke. Sie sind für ihn Verbindungsglied zu Nachrichten aus dem Ausland unterschiedlichster Couleur - der französische Freund Robert Empérauger etwa kann gleichermaßen ausländische Kriegsnachrichten als auch das Neuste aus der von Heidersberger so geliebten Pariser Kunstwelt berichten.
Als Leiter der Bildstelle ist es Heidersbergers Aufgabe, die Entstehung der Fabrikhallen auf der "grünen Wiese" (so auch der Projektname) zu dokumentieren. Zunehmend dienen die Hallen zur Rüstungsproduktion, und der Künstler muss Details von den Verdunklungsvorrichtungen der Produktionsstätte photographieren.
Dem obligatorischen Hitlergruß weiß er sich durch die immerwährende Beschäftigung mit der Kamera zu entziehen. Er resümiert im Jahr 1990 die Kriegszeit und seine damalige berufliche Situation wie folgt: "In den bösen Jahren im Beruf zu bleiben, Freunde, auch aus anderen Ländern, zu gewinnen und über die Katastrophe hinweg zu bewahren, ein praktikables Auskommen mit den Mitteln des Berufes und die Freiheit des Dilettierens" sei elementar für sein damaliges Leben in Kriegszeiten gewesen.
In seiner Funktion als Bildstellenleiter hat Heinrich Heidersberger die Möglichkeit, sich intensiver als je zuvor mit den unterschiedlichsten Phototechniken auseinander zu setzen. So bargen die Kriegsjahre für ihn wesentliche Chancen, und in den Nachkriegsjahren konnte er dank der erreichten technischen Perfektion und seiner künstlerischen Verve Auftragsarbeiten für Krupp sowie für die Jenaer Glaswerke realisieren, die seinen Ruf weiter festigen sollten.
Zu den Werbe- und Industrieaufnahmen zählen ohne Zweifel auch die Werksphotographien, die Heidersberger hauptsächlich zwischen 1950 und Anfang der 1960er Jahre, aber auch immer wieder sporadisch für VW in Wolfsburg machte. Eine dieser Aufnahmen muss als ein Schlüsselwerk bezeichnet werden: die perspektivische Aufnahme des Kraftwerks aus dem Jahr 1971. Sie hob sich durch die ungewöhnliche Frontalansicht von allen bis dahin publizierten Aufnahmen der Anlage ab.
Bei einem Blick auf diese zentrale Arbeit wird auf eindringliche Weise deutlich, dass Industriephotographie bei Heinrich Heidersberger selten reine Werbephotographie meint. Immer sind bildimmanente Aspekte, künstlerische Abwägungen und die Erneuerung der Bildsprache Ambition des Künstlers. Handelt es sich um Dokumentationen von Produktionsprozessen wie etwa bei seinen Auftragsarbeiten für Grotrian & Steinweg, Osram, Brunsviga oder die Bremer Tauwerke, so ist stets, bei aller Sensibilität für geometrische Strukturen, ein Rückschluss auf den Herstellungskontext gegeben.
So unterscheiden sich Heidersbergers Industrieaufnahmen maßgeblich von jenen seiner Zeitgenossen und einmal mehr ist Heidersbergers Streben nach einer Versöhnung von Kunst und Technik, künstlerischem und handwerklichem Anspruch sichtbar.